Pazifikwälder und Pazifikdünen

Trotz Sonntagsruhe auf den Straßen in Quirihue wollte sich wegen der niedrigen Außentemperatur bei uns kein rechter Abreiseimpuls finden. So wurden Mails gecheckt, Texte generiert und mit Typo3 die eigene site gefüttert. Das hatte den Vorteil, dass die Sonne schon wärmte als es endlich losging: grobe Richtung Constitution. So genau konnten wir uns das ja nicht vornehmen, wir hatten ja unser GPS eingebüßt, und jetzt hieß es mit Sonnenstand zurecht zu kommen, denn Wege waren auf unserer Karte keine verzeichnet.

Da wir bereits die Hälfte der Reise hinter uns hatten, war die Sonne im Norden zur Mittagszeit nicht mehr ungewöhnlich, denn Ost und West waren ja gleich geblieben. Der innere Kompass hatte sich im Kopfeingenordet. So machte es auch sofort Spaß, ohne langes Kartenstudium Entscheidungen zur Wegewahl in Sekundenschnelle am Sonnenstand zu treffen und notfalls mal zu wenden, wenn die Kontur der Berge den Weg nun gänzlich in andere Himmelsrichtung lenkte. Unglaublich, welche Entfernungen wir auf diese Weise in kürzester Zeit hinkriegten, ohne auch nur auf ein Dorf zu treffen.

Noch hatten wir uns über das phantastische Wegenetz gefreut, mit dem die Pazifikwälder und Forste durchzogen waren, da waren auch schon die ersten 100km auf dem Tacho und der Brennvorrat des Frühstücks war durch. Da kam uns die Waldarbeiter-Siedlung gerade recht, in deren Mitte ein Meiler vor sich hin schmökte. Wir erstanden frisch gebackenes Brot, Avocado, Tomate und jetzt musste der Rest der angebrochenen Salami dran glauben. Wasser hatten wir noch und schon war die Mittagsrast zum Lunch geworden.

Unglaublich, welche Ruhe hier auf unserem Sonnenplatz herrschte. Wir hatten ein weiteres Mosaiksteinchen Freiheit gefunden, nach der wir ja auf unserer Fahrt suchten. Sollte unsere Enduroreise in Chile entlang zugiger Vulkane, bei regnerischem Schlauchwechsel oder eine Mittagsrast schon die Antwort gegeben haben? Wir suchten weiter.

An Constitution vorbei, raus zu den Dunas de Putu´. Kilometer lang säumten sie unseren Weg legten einen breiten Gürtel zwischen uns und den Ozean. Der auflandige Wind blies uns kräftig die Sandkörner ins Gesicht und schien uns zu locken. Wir konnten nicht anders und ließen uns auf das Wagnis ein: mitsamt unserem Gepäck ab zum Dünensurfen und Wüstenfeeling tanken. Alleine wäre das Risiko zu hoch, aber wir waren ja zu zweit, wenn ausgebuddelt werden müsste. So genossen wir die Drifts im weichen Sand und dazu das großartige Gefühl, einen Moment lang chilenischem Dakar-ähnlichem Gelände begegnet zu sein.

In Iloca fragten wir uns: ist dieser Tag noch zu toppen? Er war es. Wir bezogen zwei „Königslogen“ im Hotel direkt über dem Pazifik, bewunderten den Sonnenuntergang beim sundowner-Bier aus erster Reihe und die Brecher lieferten die Tisch- und Nachtmusik. Die opulente soppa de Mariscos erwähne ich nur, weil sie in mir sofort die Erinnerung an diesen vollkommenen und idalen Enduro-Tag wachruft.